Stellen Sie sich etwas Alltägliches vor: Schnürsenkel aus Textilmaterial besitzen an den Enden Kunststoff-Kappen, die die Schnüre vor dem Ausfransen sichern. Bei ständigem Gebrauch würden die Senkel sonst nämlich immer kürzer werden und schließlich ihren Nutzen einbüßen. Ähnlich den Schnürsenkeln verhält es sich mit den Chromosomen, die im Alterungsprozess eine zentrale Rolle spielen. Die Schutzkappen unserer Chromosomen heißen Telomere. Werden die Telomere selbst geschützt, verlangsamt sich auch der Alterungsprozess.

Telomere haben Einfluss auf den Alterungsprozess

Telomere bestehen aus Proteinen und verhindern ein „Ausfransen“ unseres Erbguts. Sind die Kappen zu kurz, stellt die betroffene Zelle das Teilen ein, die wertvolle DNS ist in Gefahr. Neugeborene haben noch sehr lange Telomere. Da diese bei jeder Zellteilung ein kleines Stück kürzer werden, messen die Telomere eines 35-Jährigen nur noch etwa drei Viertel und die eines 65-Jährigen die Hälfte der ursprünglichen Länge. Die Schnelligkeit, mit der sich die Telomere verkürzen, ist unter anderem genetisch beeinflusst. Die Wissenschaft vermutet, dass kurze Telomere mit chronischen Krankheiten in Verbindung stehen, z. B. Diabetes, Herz-Kreislauf- und Lungen-Erkrankungen sowie bestimmten Krebsarten. Gute Gene bremsen die Abnutzung der Telomere. Aber bis zu einem gewissen Grad kann diese Abnutzung auch von uns aktiv beeinflusst werden. Wie Studien belegen, können negative Einflüsse wie Rauchen, UV-Strahlung, Chemikalien, eine einseitige Ernährung und dauerhaft zu wenig Schlaf die Telomer- und damit die Zellalterung messbar beschleunigen. Auch ein psychisches Ungleichgewicht und langfristiger Stress – ja, selbst die Erwartung von Stress – verschlechtern die Beschaffenheit unserer Telomere. Einige Zellen wie die der Haut, der Haare und des Immunsystems sind stärker von der Telomer-Verkürzung betroffen, weil sie sich öfter teilen als andere Zellen. Deshalb nehmen wir hier die Alterung an Haut und Haar sowie die Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands auch am deutlichsten als Alterungsprozess wahr.

Die Länge der Telomere gilt als Marker für das biologische Alter eines Menschen – im Gegensatz zum chronologischen Alter, welches wir in Zahlen definieren. Ein Schlüssel, um länger jung zu bleiben, scheint daher mit der Frage zusammenzuhängen: Wie schaffen wir es, die Verkürzung der Telomere so lange wie möglich aufzuhalten? Nun hat im Jahr 2009 die Medizinerin Elizabeth Blackburn den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung eines körpereigenen Enzyms, des Biokatalysators Telomerase erhalten, mit dessen Hilfe Telomere repariert werden können: „Telomerase kann die Verkürzung von Telomeren, die mit der Zellteilung einhergeht, verlangsamen, verhindern oder auch rückgängig machen“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Zahlreiche Anti-Aging-Cremes, -Präparate und Nahrungsergänzungsmittel wie Omega-3-Fettsäuren, Vitamin B und D etc. werben heute mit dem Zusatz von Telomerase, was laut Blackburn aber nicht ganz unbedenklich ist. Denn sie befürchtet, wie auch viele ihrer Kollegen, dass die künstliche Zufuhr von Telomerase unkontrolliertes Zellwachstum fördern und z. B. zu Krebs führen könnte. Wer also eine Anti-Aging-Creme mit Telomerase verwenden möchte, sollte dies nicht länger als drei Wochen am Stück oder nur in Ausnahmefällen tun, um Risiken einzuschränken. Darüber hinaus gibt es jede Menge sinnvoller Strategien, die Chromosomen-Schutzkappen zu schonen und aufzupäppeln. Beispielsweise durch regelmäßigen moderaten Sport, ausreichend Schlaf, frische Vollwertkost und das Erlernen von Entspannungstechniken. Auch eine positive Grundstimmung, soziale Kontakte und ein aktives, selbstbestimmtes Leben in einem angenehmen Umfeld sind Faktoren, die unsere Zellen auf erfreuliche Art und Weise beeinflussen können.