Schönheitsideale gibt es wohl seit Menschengedenken. Mal war der ideale Körper kurvig-rund – die klassische Rubensfigur – dann konnte Frau nicht dünn genug sein. „You can never be too rich or too skinny“ wurde zum (gefährlichen) Mantra einer ganzen Generation. Die Must-Have-Frisuren variierten vom Pixie Cut zu Extensions, von wilder Dauerwelle zum ultra-schlichten Sleek-Look. Mal wurden Augenbrauen so exzessiv gezupft, dass sie fast ganz verschwunden waren, spätestens mit dem Aufstieg von Cara Delevingne in die Riege der Supermodels konnten die Brauen gar nicht mehr buschig genug sein.

So verschieden all diese Beauty-Trends waren, eines hatten alle gemeinsam: stets ging es darum, dem gerade gängigen Ideal möglichst nahe zu kommen. Das Streben nach optischer Perfektion führte zu einem allgegenwärtigen Einheitslook, den Frauen auf der ganzen Welt als Ideal anstrebten.

Die sozialen Medien schienen dies nur noch weiter zu befeuern. Fast schon Klon-gleich identisch formten Influencer und Stars ihre vollen Lippen zum unausweichlichen Duckface für die Kamera. Man scrollte durch eine Parade von Wallemähnen, strahlender Haut und Wespentaillen – Fotobearbeitung und Filtern sei Dank.

Für ihren Einfluss haben Instagram & Co. viel Kritik einstecken müssen: Sie fördern Narzissmus, unrealistische Schönheitsideale und wecken Neid auf das scheinbar perfekte Leben, das aus Reisen zu tropischen Inselparadiesen, Kleiderschränken mit den allgegenwärtigen orangen Hermès-Kisten und vor allem einem makellosen Gesicht und Körper besteht.

Aber wie bei allen Dingen im Leben gibt es dort, wo es Schatten gibt, auch Licht. Trotz ihrer Oberflächlichkeit haben Plattformen wie Instagram und Facebook auch ihre guten Seiten – eine ungeheuer große Reichweite, die das Denken und Leben positiv beeinflussen kann.

Der Trend: Skin Positivity und Body Positivity

Genau diese Macht macht sich eine Bewegung zugute, wie es sie mit so einer Intensität und Durchdringungskraft vielleicht noch nie gegeben hat. Body Positivity und Skin Positivity erobern das Netz. Es geht nicht mehr darum, sich einem allgemeingültigen Schönheitsideal zu unterwerfen. Perfektion ist fast schon verpönt. Vermeintliche Fehler und Makel werden nicht mehr versteckt, sie werden regelrecht gefeiert.

Cellulite, Speckröllchen, Hautunreinheiten, Narben, Pigmentflecken – ein Trend zu Akzeptanz und Selbstliebe hat sich in den sozialen Medien durchgesetzt. Feeds, die zuvor von gefilterter Perfektion dominiert waren, werden durch #wokeuplikethis-Schnappschüsse von Mädchen ersetzt, die keinen Tropfen Make-up tragen und sich nicht hinter Filtern verstecken, um ihre “Makel” zu verbergen.

Ging es bei Body Positivity anfangs vor allem um das Gewicht, erstreckt sich der Diversity-Ruf inzwischen auf immer mehr Bereiche wie Körperbehaarung, Hautfarbe und sogar Krankheiten wie die Pigmentstörung Vitiligo – Model Winnie Harlow ist das wohl prominenteste Beispiel. Hauptsache anders, Hauptsache besonders. Individualität statt Einheitslook. Unvollkommenheit ist die neue Perfektion.

Allerdings birgt auch dieser Trend seine Gefahren, wenn er ins Extreme getrieben wird. Forscher sprechen bereits von einer Form der „kuratierten Unvollkommenheit“. „Makel“, die früher mit allen Mitteln verborgen wurden, werden nun auf unnatürliche Art und Weise betont und in Szene gesetzt, mit dem Ziel, die eigene Individualität hervorzuheben und Sympathien für den offenen Umgang mit der eigenen Unvollkommenheit zu sammeln. Mit anderen Worten: der Fake-Film geht weiter, nur sein Titel hat sich geändert.

Doch was ist natürlich schön?

Wie kann und sollte denn nun eine vernünftige, ehrliche Darstellung von Schönheit in den sozialen Medien aussehen?

Im Grunde genommen – und das mag das eigentlich Revolutionäre sein – müssen wir alle einfach Fotos posten, wie wir *wirklich* aussehen. Die Herausforderung besteht darin, sich dabei wohl zu fühlen.

Der ursprüngliche Sinn der Skin Positivity- und Body Positivity-Bewegung ist es doch, die Botschaft zu verbreiten, dass egal wie unser Hautzustand oder Taillenumfang ist, er nicht definiert, wer wir sind oder uns weniger schön macht – er macht uns einzigartig – und das wollen wir doch alle sein.