Der Bauch ein bisschen flacher, die Lippen ein bisschen voller, die Haut ein bisschen glatter – mit dem passenden Filter ist das optimierte Selbstbild nur einen Fingertip entfernt. Das wissen – und nutzen – Influencer auf Instagram nur allzu gern. Wenn wir durch Fotos in den sozialen Medien scrollen, ist es schwer noch zu erkennen, welche Bilder bearbeitet wurden und wer wirklich „#wokeuplikethis“ aussieht.

Besonders bei jungen Mädchen wird so immer mehr ein Schönheitsideal verfestigt, das kaum zu erreichen ist. Aber würde ein Hinweis darauf, dass der Beitrag gefiltert oder verändert wurde, dazu beitragen, das Selbstwertgefühl der Nutzer*innen zu verbessern?

In Norwegen jedenfalls ist man davon überzeugt, den „Beauty-Druck” unter jungen Menschen mit einer Kennzeichnungspflicht verringern zu können. Die neue Kennzeichnungspflicht soll dort Influencern verbieten, in den sozialen Medien veränderte Fotos zu posten, ohne darauf hinzuweisen, dass die Bilder bearbeitet wurden.

Auf ihrer offiziellen Website erklärt die Regierung, man wolle dazu beitragen, den Druck in der Gesellschaft durch “idealisierte Menschen in der Werbung” verringern. “Unter anderem wird eine Pflicht eingeführt, retuschierte oder anderweitig manipulierte Werbung zu kennzeichnen, wenn dies bedeutet, dass der Körper der Person in der Werbung in Bezug auf Körperform, Größe und Haut von der Realität abweicht”, heißt es weiter.

Die Regelung gilt für Filter, wie man sie auf Snapchat verwenden kann, sowie für digitale Veränderungen von Körperform und -größe.
Betroffen sind alle, die bezahlte Werbung in den sozialen Medien posten. Das betrifft viele Influencer, Schauspieler und Sänger, aber auch Konzerne.

Verabschiedet wurden die neuen Anforderungen als Änderung des norwegischen Marketinggesetzes bereits. Im Sommer 2022 tritt das Gesetz in Kraft.

Wie reagieren Influencer auf die neue Kennzeichnungspflicht?

Bei norwegischen Influencern stößt die Kennzeichnungspflicht auf Zustimmung. Instagram-Star Madeleine Pedersen erklärt im Interview mit dem britischen Sender „Radio 1 Newsbeat“, dass es “höchste Zeit” sei, die Regeln zu ändern und hofft, dass das Gesetz junge Menschen davon abhält, sich mit unrealistischen Idealen zu vergleichen. „Es gibt so viele Menschen, die wegen ihres Körpers oder ihres Gesichts verunsichert sind”, sagt sie und gibt zu, „ich war früher selbst durch Instagram unzufrieden, was mein Aussehen betrifft. Das Schlimmste daran ist, dass ich nicht einmal weiß, ob die anderen Mädchen, zu denen ich aufgesehen habe, ihre Fotos bearbeitet haben oder nicht. Deshalb brauchen wir alle Antworten – wir brauchen dieses Gesetz.”

Madeleine selbst ist davon nicht betroffen. Denn bei den Fotos, die ihre knapp 90.000 Follower zu sehen bekommen, ändert sie zwar “Licht, Farben und Schärfe, um eine bessere Stimmung zu erzielen”, sagt aber, dass sie niemals eine App benutzen würde, um ihr Gesicht und ihren Körper zu verändern.

Madeleine glaubt, dass die neuen Anforderungen dazu führen werden, dass Influencer in Norwegen ihre Bilder weniger häufig bearbeiten, denn „es wird ihnen zu peinlich sein, die Schummelei zuzugeben, also werden sie weniger retuschieren – und das sollten sie auch.“

Eirin Kristiansen, eine Influencerin aus Bergen stimmt zu, dass das neue Gesetz ein “Schritt in die richtige Richtung” ist, findet aber, dass es “nicht sehr gut durchdacht” ist.

Die 26-Jährige, der über 147.000 User auf Instagram folgen, bezweifelt, dass das Gesetz das Körperbewusstsein junger Menschen verbessern wird. “Psychische Probleme haben viel mehr Ursachen als ein bearbeitetes Bild. Eine weitere Kennzeichnung auf den Fotos der Social Media Stars wird meiner Meinung nach nichts daran ändern, wie sich junge Mädchen und Jungen wirklich fühlen“, sagt sie.

Der Einfluss von Instagram und Co. auf die Schönheitsideale ist jedoch unbestreitbar. In einer aktuellen britischen Studie gab die große Mehrheit der unter 18-Jährigen an, dass Bilder in den sozialen Medien ihr Körperbild “extrem beeinflussen”. Nur 5 % der Befragten gaben in der Umfrage an, dass sie nicht in Erwägung ziehen würden, ihr Aussehen durch eine Diät oder sogar eine OP zu verändern.

Selbst die britische Influencerin Emily Clarkson, die mit ihren bewusst unbearbeiteten Bildern und Äußerungen über die Auswirkungen von Filtern und Bearbeitungs-Apps über 219.000 Follower begeistert, aber auch immer wieder harsche Kritik in der Social Media Welt einstecken muss, gesteht, „als ich 16 war, habe ich mir Photoshop heruntergeladen und gelernt, meinen Körper damit zu retuschieren, damit ich ein Bikini-Bild von mir auf Facebook hochladen kann. Hätte es diese [Bearbeitungs]-Apps und Filter schon damals gegeben, ich hätte sie garantiert benutzt.”

Die heute 26-Jährige wünscht sich, dass in Großbritannien ein ähnliches Gesetz wie in Norwegen eingeführt wird.

Einen entsprechenden Gesetzesentwurf, der eine Meldepflicht für veränderte Bilder vorsah, gab es bereits. Er fand allerdings bisher nicht den Weg durchs Parlament. Auch in Deutschland gibt es aktuell offiziell keine Pläne für eine gesetzliche Regelung nach dem Vorbild der Norweger.

Ob eine Kennzeichnungspflicht für retuschierte Fotos tatsächlich falsche Schönheitsideale aus den sozialen Medien verschwinden lassen kann, bleibt abzuwarten. Für Instagram-Star Emily Clarkson jedenfalls steht fest, „man kann den Leuten nicht verbieten, ihre Bilder zu bearbeiten. Aber ihnen zu sagen, ‘wenn ihr es tut, müsst ihr auch so ehrlich sein, es zuzugeben’, ist zumindest ein Anfang.“