Erschreckend: In Umfragen geben zwischen 50 und 80 Prozent der Jugendlichen und Erwachsenen an, sich einsam zu fühlen. Einsamkeit, Isolation und fehlende zwischenmenschliche Beziehungen verringern maßgeblich die Lebensqualität und können langfristig schwere Folgen für die körperliche und geistige Gesundheit haben. Verstärkt als Folge der Quarantäne- und Abstands-Regelungen während der Corona-Pandemie, warnen Experten, dass soziale Isolation und Einsamkeit in bestimmten Bevölkerungsgruppen sogar die nächste große Gesundheits-Krise sein könnte.
Beauty-Guide.de erklärt die verschiedenen Arten von Einsamkeit, gibt einen Überblick über die Forschung zu den gesundheitlichen Auswirkungen von sozialer Isolation und weiß, wie Wellness ein Weg aus der Einsamkeit sein könnte
Die drei Arten der Einsamkeit
Zunächst einmal ist eines wichtig zu unterscheiden: Einsamkeit bezieht sich auf ein beunruhigendes Gefühl des Alleinseins oder der Isolation, während soziale Isolation der Mangel an sozialen Kontakten einer Person aufgrund verschiedener Umstände ist (zum Beispiel physische Trennung, Sprechen einer anderen Sprache, soziale und kulturelle Verständnislücken, Lebensumstände oder wirtschaftliche Unterschiede). Beide Phänomene sind miteinander verbunden, treten aber nicht unbedingt zusammen auf.
Hilfreich, um ihre Ursachen zu verstehen, ist die Kategorisierung der Einsamkeit durch den renommierten indischen Forscher Sarvada Tiwari.
Tiwari unterteilt Einsamkeit in drei Kategorien. In seinem Artikel „Loneliness: A disease?“ kategorisiert er diese wie folgt:
Situative Einsamkeit
„Das sozioökonomische und kulturelle Milieu trägt zur situativen Einsamkeit bei. Verschiedene Umweltfaktoren wie unangenehme Erfahrungen, die Diskrepanz zwischen dem Niveau der eigenen Bedürfnisse und der sozialen Kontakte, die Abwanderung der Bevölkerung, zwischenmenschliche Konflikte, Unfälle, Katastrophen oder das sogenannte Leere-Syndrom führen zu Einsamkeit im Alter. Die gestiegene Lebenserwartung und die Feminisierung der älteren Bevölkerung ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der situativen Einsamkeit insbesondere bei Frauen.“
Entwicklungsbedingte Einsamkeit
„Jeder von uns hat einen angeborenen Wunsch nach Intimität und ein Bedürfnis nach Beziehungen mit anderen. Dieses Bedürfnis ist für unsere Entwicklung als Mensch unerlässlich. Abgesehen von diesem Bedürfnis gibt es auch ein Bedürfnis nach Individualität, das damit zusammenhängt, dass wir unser eigenes wahres Selbst kennen und entwickeln wollen, was wiederum eine gewisse Einsamkeit erfordert. Für eine optimale Entwicklung sollte ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Bedürfnissen bestehen. Wenn eine Person nicht in der Lage ist, diese Bedürfnisse richtig auszubalancieren, kann dies zu einem Sinnverlust in ihrem Leben führen, was wiederum ein Gefühl von Leere und Einsamkeit auslösen kann. Persönliche Unzulänglichkeiten, Entwicklungsdefizite, schmerzhafte Trennungen, Armut, Wohnverhältnisse und physische/ psychische Behinderungen führen häufig zu dieser entwicklungsbedingten Einsamkeit.“
Innere Einsamkeit
„Das Alleinsein macht eine Person nicht grundsätzlich einsam. Es ist die Wahrnehmung des Alleinseins, die die Person einsam macht. Menschen mit einem geringem Selbstwertgefühl fühlen sich häufiger einsam als andere Menschen. Gründe für diese Art von Einsamkeit sind zum Beispiel Kontrollzwang, psychische Belastung, ein geringes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle oder Schwierigkeiten mit der Bewältigung von Problemen.“
Noch ein weiterer Unterschied ist wichtig zu beachten: soziale Isolation ist nicht das gleiche wie Privatsphäre. Privatsphäre ist etwas, das der Einzelne sich wünscht. Durch Privatsphäre fühlt man sich sicher und wohl. Soziale Isolation hingegen ist unerwünscht. Menschen, die sozial isoliert sind, fühlen sich einsam und wünschen sich Gesellschaft.
Häufige Ursachen für soziale Isolation
Körperliche Erkrankungen und Krankheiten: Autoimmunerkrankungen und chronische Krankheiten können in vielerlei Hinsicht zu sozialer Isolation führen. Eingeschränkte Mobilität, das Gefühl, missverstanden oder übersehen zu werden, und der mangelnde Zugang von Menschen mit chronischen Krankheiten zu öffentlichen Einrichtungen und Möglichkeiten, eine Gemeinschaft aufzubauen, können aus infrastrukturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gründen zu sozialer Isolation führen.
Psychische Erkrankungen
Zu den Erkrankungen, die stark mit Einsamkeit und sozialer Isolation verbunden sind, gehören Depressionen, Alzheimer, Alkoholismus und Persönlichkeitsstörungen.
Einwanderung und kulturelle sowie sprachliche Unterschiede
Menschen, die kulturellen und sprachlichen Minderheiten angehören, müssen oft ohne Unterstützung und mit eingeschränkten Kommunikationsfähigkeiten mit den Unterschieden zurechtkommen. Dies kann leicht zu Isolation und einem Gefühl der Einsamkeit führen.
Die am meisten von sozialer Isolation und Einsamkeit bedrohten Menschen
- Ältere Menschen
- Kinder und Jungendliche
- Unter Quarantäne stehende Menschen
- Allein lebende Menschen
- Menschen, die in ländlichen Gebieten leben
- Witwen und Witwer
- Menschen mit niedrigem Bildungsniveau
- Menschen mit geringem Einkommen
- Arbeitslose
- Minderheiten
- Sozial und wirtschaftlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen
- Menschen mit Behinderungen
- Menschen, die Opfer von Missbrauch geworden sind
- Menschen mit psychischen Erkrankungen
- Menschen mit chronischen und Autoimmunerkrankungen
Gesundheitliche Auswirkungen von sozialer Isolation und Einsamkeit
Der Mensch hat sich so entwickelt, dass er in der Gemeinschaft aufblüht. Evolutionär betrachtet, liegt im Hinblick auf das Überleben der Spezies die Stärke in der Gruppe. Mit anderen Worten: Menschen brauchen andere Menschen, um zu überleben. Ein Mangel an sozialer Unterstützung und Isolation belasten daher unseren Geist und Körper. Einsamkeit und Isolation sind nicht nur ein soziales und psychologisches Problem, sondern wirken sich direkt auf alle Dimensionen von Gesundheit und Wohlbefinden aus, auch auf das körperliche Wohlbefinden. Kurzfristig verursacht Einsamkeit Symptome wie Müdigkeit und Schlafstörungen bis hin zu Depressionen.
Ausserdem können soziale Isolation und Einsamkeit auch zu einer Beeinträchtigung der Immunfunktion führen. Die chemischen Veränderungen im Körper, die auftreten, wenn jemand sozial isoliert ist, erhöhen die systemische Entzündung, ähnlich wie bei der Bekämpfung einer Infektion. Untersuchungen haben ergeben, dass Einsamkeit die gleichen gesundheitsschädigenden Auswirkungen haben kann wie das Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag.
Konkret lassen sich die forschungsbasierte Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen sozialer Isolation und Gesundheit wie folgt zusammenfassen:
Sozial isolierte Männer (nicht verheiratet, weniger als sechs Freunde oder Verwandte, keine Mitgliedschaft in religiösen oder sozialen Organisationen) haben ein um 90 Prozent erhöhtes Risiko für tödliche Herzkrankheiten und ein mehr als doppelt so hohes Risiko für einen Tod durch einen Unfall oder Selbstmord.
Es ist erwiesen, dass Einsamkeit bei älteren Erwachsenen das Risiko von Einschränkungen (zum Beispiel der Mobilität) und die Sterberate deutlich erhöht.
Unabhängig von Alter und Geschlecht führen mangelnde soziale Beziehungen im Allgemeinen (soziale Isolation und Einsamkeit) zu einem um 29 Prozent erhöhten Risiko für koronare Herzkrankheiten und einem um 32 Prozent erhöhten Schlaganfallrisiko.
So wie Einsamkeit psychische Erkrankungen und chronische Krankheiten auslösen oder verschlimmern kann, können auch gesundheitliche Probleme eine Ursache für Einsamkeit sein. Ein Leben mit chronischem Stress, Angst, Depressionen und Belastungen durch Autoimmunkrankheiten kann zur Isolation führen.
Die besten Wege aus der Einsamkeit
Bewusst und absichtlich darum bemühen, echte Freundschaften zu schließen und zu pflegen
Das Knüpfen neuer Freundschaften über Selbsthilfegruppen und Freizeitaktivitäten mit Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, ist eine gute Möglichkeit, Bindungen aufzubauen.
Hobbys und Freizeitaktivitäten
Sport verbindet. Der Beitritt in einem Sportverein, Fitnessstudio oder auch einem Koch- oder Schachclub gibt einen Anstoß regelmäßig das Haus zu verlassen und bringt einen gleichzeitig mit Menschen mit ähnlichen Interessen in Kontakt. Der Deutsche Olympische Sportbund hat genau zu diesem Zweck 2022 das Projekt „Verein(t) gegen Einsamkeit“ ins Leben gerufen, das einsamen Menschen den Zugang zu Sportvereinen erleichtern soll.
Bei einer Behinderung oder Krankheit, die den Zugang zu oder die Ausübung von Hobbys erschweren kann, nach anpassungsfähigen und barrierefreien Hilfsmittel und Techniken suchen.
Soziales Engagement
Sich freiwillig für eine Sache, die einem am Herzen liegt, einzusetzen, ist eine gute Möglichkeit, Freunde zu finden, sich in der Gemeinschaft zu engagieren und seine Fähigkeiten in die Tat umzusetzen. Das soziale Netzwerk „nebenan.de“ beispielsweise ist eine kostenlose digitale Plattform, über die sich Nachbar*innen kennenlernen, helfen, zu Aktivitäten verabreden oder Dinge teilen und verschenken können.
Meditation und Yoga
Techniken zur Stressreduzierung wie zum Beispiel Meditation, entspannende Atemübungen oder Yoga (v.a. in der Gruppe) ausprobieren. Es gibt sogar spezielle Yoga Retreats, die sich insbesondere an Menschen richten, die sich einsam fühlen. Ein solches Programm wird beispielsweise in Südtirol im Preidlhof oder im thailändischen Koh Samui angeboten.
Die Adoption eines Haustiers
Haustiere können für manche Menschen eine wichtige emotionale Stütze sein und ihnen Gesellschaft leisten.
Telefonische Beratungsdienste
Bei einer akuten Belastung durch Einsamkeit können auch telefonische Hilfs- und Beratungsdienste eine Unterstützung sein. In Deutschland gibt es beispielsweise die „Telefonseelsorge“ oder die „Nummer gegen Kummer“ und spezielle Programme für Kinder und Jugendliche wie das Chatportal „krisenchat“ oder „jugendnotmail“ sowie das „Silbertelefon“, das sich insbesondere an ältere Menschen richtet.
Eine Psychotherapie bei einem Psychologen in Anspruch nehmen, insbesondere wenn Einsamkeit und Isolation Depressionen oder Selbstverletzungen verursachen oder verschlimmern.
Wellness-Programme
Wellness-Programme mit Gesundheits-, Ernährungs- und Fitness-Coaches können Menschen helfen, die sich einsam fühlen oder sozial isoliert sind.
Ausgebildete Coaches können das Bedürfnis von Betroffenen nach Einfühlungsvermögen, Fürsorge und Bestätigung erfüllen.
Die größten Vorteile eines professionellen Coachings sind:
- Das Gefühl, verstanden zu werden. Professionelle Coaches verfügen über hervorragende Kommunikationsfähigkeiten und ein gewinnendes Auftreten.
- Betroffene erhalten ein qualitativ hochwertiges Coaching mit aktuellem Wissen über die Probleme und Bedürfnisse des Einzelnen.
- Coaches sorgen für eine Kontinuität der Betreuung zwischen den Coaching-Sitzungen.
- Ermutigung durch den Coach zu Aktivitäten, die die Gemeinschaft und den Zusammenhalt fördern.
Freunde und Familie zu den Sitzungen mit dem Coach mitbringen
Häufig haben enge Freunde und Familienmitglieder den Wunsch, zu helfen, wissen aber nicht genau, wie sie das tun sollen. Durch die Begleitung zu den Sitzungen, fühlt man sich selbst weniger verletzlich und die Begleitung hat gleichzeitig die Möglichkeit, die Probleme besser zu verstehen und zu unterstützen.
Gruppen- und Gemeinschaftssitzungen
Zusätzlich zu den Einzelsitzungen können auch Gruppen- und Gemeinschaftssitzungen eine große Hilfe sein. Die Gruppenzusammensetzung kann beispielsweise auf ähnlichen Zielen, ähnlichen Erfahrungen oder Altersgruppen basieren. Diese Sitzungen sind eine großartige Gelegenheit, Freundschaften zu schließen und ein Gemeinschaftsgefühl aufzubauen.
Virtuelle Angebote
Für Menschen, die in abgelegenen Gegenden leben oder aufgrund körperlicher Behinderungen mobil eingeschränkt sind, können Kontakt und Unterstützung durch virtuelle Coaching-Dienste eine große Hilfe sein. Neben dem Coaching wird so gleichzeitig der Wunsch nach Verbindung unterstützt.
Auch Gruppensitzungen werden in digitalen Formaten angeboten und können zusätzlich den sozialen Austausch fördern. Neben Coaching-Programmen werden auch sportliche Aktivitäten in der Gruppe wie zum Beispiel Yoga- oder Fitness-Kurse online angeboten. Initiativen wie „digitaler Engel“ oder der „digital-Kompass“ setzen sich ein, den Zugang zu Online-Angeboten insbesondere für ältere Menschen zu erleichtern.
Wellness bedeutet am Ende schließlich nichts anders als „sich wohl zu fühlen“. Das geht über Beauty-Behandlungen und entspannende Massagen hinaus. Wohlfühlen beginnt im Inneren, im Einklang mit sich selbst – aber eben auch mit anderen Menschen.