Unsere Erbanlagen bestimmen nicht von Geburt an unser Leben? Kann die Kosmetik bald Umwelteinflüsse an- und ausschalten und damit die Hautalterung aufhalten? Das neue Forschungsfeld der Epigenetik bringt viele Fragen nach neuen Möglichkeiten mit. Ein Zwischenstand.

Was ist eigentlich Epigenetik?

Bei der Epigenetik, einem Spezialgebiet der Molekular-Biologie, geht es nicht um eine mögliche Manipulation der DNA-Sequenz, des DNA-Bauplans. Vielmehr steht die Erkenntnis im Fokus, dass bestimmte Schalter die Aktivität der Gene steuern – und dass diese durch äußere Einflüsse, Erfahrungen und den eigenen Lebensstil beeinflussbar sind. Eine ungesunde Ernährung zum Beispiel, zu viel UV-Strahlung, Alkohol und Nikotin sowie zu wenig Schlaf aktivieren in diesem Sinne bestimmte Schalter und regen zellzerstörende Funktionen etc. an.

Die Gesundheit eines Menschen ist demnach vor allem davon abhängig, welche Gene der Körper unter welchen Umständen an- und ausschaltet, „methyliert”. Und diese epigenetische Änderungen sind sogar als „Gedächtnis“ potenziell vererbbar: Veränderungen in der Lebensweise durch Ernährung, Bewegung und Erlebnisse können ein neues epigenetisches Muster erzeugen, das weitergegeben wird.

Die Kosmetikindustrie erhofft sich durch die Epigenetik ein besseres Verständnis darüber, wie und wann Jugendlichkeits- und Alterungsgene aktiv werden. Man weiß zum Beispiel bereits, dass die Methylierung besonders durch Folsäure und Vitamin B12 gesteuert wird. Eine genügende Versorgung mit beiden Stoffen ist auch deshalb essentiell gegen Zellalterung. Zugleich ist bekannt, dass mit dem Alter die Aktivität des Enzyms arNOX, das schädigende freie Radikale erzeugt und damit Kollagen und Elastin zerstört, zunimmt.

Epigentik in der Kosmetik

Grundsätzlich steigt mit dem Alter proportional die Abschaltung der Gene, weil bei jeder Zellteilung das Methylierungsmuster der Erbinformation mitkopiert wird und dabei immer mehr Fehler entstehen. Ein „Auffrischen“ der Zellen, indem die epigenetischen Abweichungen entfernt werden, haben einige Forscher bereits bei Versuchen mit Pflanzenstoffen aus grünem Tee, Curry und Sojabohnen erzeugen können. Sind also bald neue Anti-Ageing-Cremes denkbar, die Jugendlichkeitsgene wieder aktivieren und so die Alterung verlangsamen? „Nach heutigem Stand ist eine direkte Epigenetik-Anwendung im Kosmetikbereich völlig undenkbar“, sagt der Biochemiker und Hautphysiologe Prof. Dr. rer. nat. Michael Schmidt. „Dennoch wird sich ganz sicher eine entspannende Kosmetikbehandlung und eine Anwendung mit entzündungshemmenden und vor allem barrierestärkenden Kosmetika epigenetisch auswirken. Dafür gibt es zahlreiche indirekte Indizien, zum Beispiel dass sich der positive Lebensstil in vielen Bereichen auf die Anordnung des Methylierungsmusters auswirkt.“ Eine gezielte Ablösung oder Anheftung von Methylgruppen bzw. Actetylgruppen an genau definierten Stellen des Genoms sei bisher noch nicht möglich, schon gar nicht im kosmetischen Bereich. Dafür sei das Feld unfassbar komplex und kaum erfasst.

Fazit

„Im Bereich der Epigenetik sind bisher einige Start- und Stoppsignale bekannt, vor allem die Methyl- und Acetylgruppe, die für das Ablesen, also das Aktivieren bzw. Hemmen der dahinterliegenden Abschnitte zuständig sind. Das ist aber schon alles“, sagt Prof. Dr. rer. nat. Michael Schmidt. Seine aktuelle Botschaft ist eindeutig: „Leider gibt es schon wieder Marketingstrategen, die von ,Epigenetik-Kosmetik’ sprechen. Das erinnert mich an die fatale ,DNA-Repair-Kampagne’ einiger Kosmetikfirmen. Völliger Blödsinn und für die wirklich seriöse Kosmetik auch überhaupt nicht notwendig.“