Wer sportlich aktiv ist, kommt um das sogenannte Faszientraining kaum noch herum. Aber auch Bewegungsmuffel tun gut daran, sich dem Bindegewebe ab und an zu widmen.

In der Fitness-Szene sind sie omnipräsent: Die sogenannten Faszienrollen. Fitness-Gurus auf YouTube, Instagram und Co. schwören auf sie. Die Anwendung soll bei der Muskelregeneration helfen, die Beweglichkeit maximieren und sogar Verletzungen vorbeugen können. Aber was sind Faszien überhaupt? Und was ist wirklich dran am Hype um die Rollen?

„Der Begriff Faszienrolle ist eigentlich irreführend, denn man bearbeitet ja nicht nur die Faszien mit einem solchen Gerät“, erklärt Dr. Robert Schleip, Humanbiologe und Direktor der Fascia Research Group an der Universität Ulm. Dennoch zeigen aktuelle Studien, dass durch den Einsatz dieser Rollen oder auch Bälle eine freiere Gleitbeweglichkeit der Faszien erreicht werden kann. Zwar könne man mit den Rollen unter Umständen auch einiges falsch machen. Allerdings sei das oftmals immer noch besser, als gar keine Bewegung, kommentiert Schleip.

Faszien – Was ist das?

Das Wort Faszie bezeichnet das, was wir im Volksmund unter dem Begriff „Bindegewebe“ verstehen. Es ist eine Art zusammenhängende Haut, die sich um Muskulatur und Organe legt und in Bänder und Gelenkkapseln übergeht. Früher hielt die Wissenschaft dieses Gewebe lediglich für eine Hülle, die für die Funktion der Muskeln kaum von Bedeutung ist. Heute wissen wir es besser: „Die Faszien sind Teil der Funktion und tragen maßgeblich dazu bei, dass der umhüllte Muskel nicht auseinanderfällt“, erklärt Robert Schleip. Wenn das Gewebe durch eine Überbelastung verletzt wird oder durch Bewegungsmangel verfilzt, kann das negativen Einfluss auf die Gesundheit haben. Die Folge sind Schmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit.

Bei der Volkskrankheit Rückenschmerzen spielt das fasziale Netz eine große Rolle. Denn gesunde Faszien verschieben sich normalerweise gegen die darunterliegende Muskulatur. Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen ist das Muskelgewebe allerdings oft mit den Faszien „verbacken“, sodass eine solche Verschiebung nicht stattfinden kann. Doch soweit muss es nicht kommen. Wer sich regelmäßig bewegt und dehnt, beispielsweise mit Yoga oder Pilates, kann solchen Leiden vorbeugen.

Beliebte Wellnessanwendung

Auch der Wellnessbereich hat die Faszienbehandlung für sich entdeckt. Immer mehr Spa Bereiche und Hotels bieten eine solche Therapie an. Robert Schleip hält das durchaus für sinnvoll: „Ich finde es passend, solche Behandlungen im Wellnessbereich anzusiedeln, weil dort der Schwerpunkt viel stärker auf dem Wohlbefinden der Gäste und nicht auf medizinischem Reparieren liegt. So lässt sich die Motivation langfristig besser hochhalten.“

Im Wellnesshotel Deimann im sauerländischen Schmallenberg setzt man seit Januar 2019 auf diese Art der Behandlung. Sechs Mitarbeiter verwöhnen die Gäste in 70-minütigen Sitzungen. Teil des Vorgangs ist ein Körper-Check sowie ein individuelles Beratungsgespräch, in dem die körperlichen Schwachstellen des Klienten ausgemacht werden. Danach geht es an die eigentliche Behandlung. „Die Griffe sind nicht mit einer klassischen Massage zu vergleichen, sondern eher ein Dehnen und Ziehen“, erklärt Daniela Lübke vom Spa-Management Team den Vorgang. Die Faszienbehandlung liege im Trend und sei sehr beliebt, auch weil sie eine schnelle Schmerzlinderung verspricht.

„Der Gast spürt meist schon nach der ersten Behandlung eine deutliche Verbesserung und spricht oft von einer gewissen Leichtigkeit. Man fühlt sich, als hätte man einen schweren Rucksack abgesetzt“, beschreibt sie.

Eigenverantwortlich handeln

Zusätzlich bietet das Hotel Deimann einen Faszien-Trainingskurs an, in dem die Gäste lernen, ihre Faszien selbst zu bewegen. Diese Hilfe zur Selbsthilfe ist laut Robert Schleip die langfristig effektivste Maßnahme. Zwar seien Fremdanwendungen durch einen Osteopathen meist höherwertig, als wenn jemand mehr oder weniger achtsam auf die Rolle geht, aber die Selbstwirksamkeit werde stark unterschätzt. „Gerade beim Thema Rückenschmerzen hängt eine Heilung am stärksten davon ab, ob sich der Patient als Opfer oder als Täter fühlt. Aktuelle Studien zeigen, dass die Biomechanik dabei weniger ausschlaggebend ist als solche psychosozialen Faktoren“, erklärt er. Schleip selbst versucht, sich möglichst vielseitig zu bewegen, denn genau das sei das Beste für das fasziale Gewebe. Einseitiges Training wie zum Beispiel im Fitnessstudio lasse wichtige Teile der Faszien außen vor.

Am Ende steht jedoch vor allem die Bewegung im Vordergrund. Denn egal ob Sie sich nun behandeln lassen, einen Yoga-Kurs besuchen oder die Faszienrolle schwingen – Hauptsache Sie tun etwas für Ihren Körper!