Medical Wellness als Wellness im weißen Kittel? Wohl kaum! Dafür geht es heute primär um Gesundheit als um Medizin. Und um Achtsamkeit statt Selbstoptimierung. Ein kleiner Streifzug durch die Entwicklung von Medical Wellness & Co.

Die goldenen Zwanziger Jahre – bekannt für Glamour, Kunst, Mode. Und wer etwas auf sich hielt, der ließ seine Koffer für den mondänen Kuraufenthalt in Baden-Baden oder anderswo packen. Um sich auf Empfehlung des Leibarztes etwas Gutes unter dem Dach klassizistischer Kurhallen zu gönnen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Kur schon mehr der Regeneration des kleinen, fleißigen Mannes. Auf Anraten des Arztes und als Einladung von Staat und Krankenkasse. Nicht selten in älter gewordenen Kurbädern mit strengem medizinischem Geruch, Autoritäten in weißen Kitteln, genussfreien Diätplänen und weitverzweigten Spazierwegen. Es ging um viel Müssen und angeordnete Gesunderhaltung. Und am Ende? Da waren es vor allem die explodierenden Kosten für Vater Staat, die in den 1990er Jahren das Aus des öffentlich finanzierten Kümmer-Modells Kur bedeuteten.

Das subjektive Gesundheitsempfinden vom Arzt begleitet

Bald danach fingen viele Menschen an, sich interessiert und freiwillig mit ihrer Gesundheit zu beschäftigten. Weil sie es mussten oder weil es einfach an der Zeit war. Sie lernten, ihre eigenen Bedürfnisse zu analysieren und begannen, selbst die Verantwortung für ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit zu übernehmen. Sie entdeckten den Lifestyle von Wellness und Wohlfühl-Karma. Zunächst in Form von Massagen und Treatments in den neuen Wellnesstempeln der Hotel- und Thermenwelt. Bald auch mit Ernährungskonzepten, die von genussvoll bis „functional“ reichten. Und in den 2000ern mit dem sich immer weiter etablierenden Gesundheitstourismus über Medical-Wellness-Angebote. Der Deutsche Medical Wellness Verband definierte diese Wellnessausrichtung bald offiziell als: „gesundheitswissenschaftlich begleitete Maßnahme zur nachhaltigen Verbesserung der Lebensqualität und des subjektiven Gesundheitsempfindens durch eigenverantwortliche Prävention und Gesundheitsförderung sowie der Motivation zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil“.

Also nur verreisen und sich ein paar Massagen im Wellnesshotel gönnen, reichte nicht mehr. Stattdessen fanden sich medizinische Termini wie Diagnostik oder Salutogenese in so manchen Wellnessprogrammen. Nie als Massenbewegung aber doch mit Relevanz durch einige professionelle Medical-Wellness-Zentren, Kliniken oder hotelartige Einrichtungen mit medizinisch geleiteten Therapieabteilungen. Weil der Gast solche Angebote nun wollte, auf eigene Kasse, nicht weil er musste. Und weil er sich sagen ließ, was er bei sich testen, regulieren und umstellen lassen muss.

Achtsamkeit als Wellness für Erwachsene?

Bis heute gibt es zwar nach wie vor medizinische Ansätze im Bereich Wellness, z. B. in Form von Luxus-Gesundheitszentren mit diagnostisch und präventiv agierender Ärzteschaft – vor allem mit der Gästeklientel der Spitzenmanager, die nach Selbstoptimierung streben. Aber längst nicht mehr in dieser Präsenz. Auch weil immer mehr wellnessaffine Menschen auf das Konzept der Achtsamkeit setzen. Als ein unaufgeregtes Zurück-Zu-Sich-Selbst in aufgeregten Burn-out-Zeiten, vor allem mit stresspräventiven Entspannungstechniken.

Wellness ist heute für viele zu einem Gefühl geworden, dass auch ohne reine Wellnesseinrichtungen und ohne Medizin entstehen kann. An einem Tag sorgt die Trekkingtour in den Bergen dafür, und an einem anderen die Yoga-Stunde oder das leckere Essen mit Freunden.