Wäre es nicht wunderbar, wenn wir einen Ernährungsplan hätten, der uns genau aufzeigt, was wir essen sollten und was besser nicht, um gesund, schlank und fit zu bleiben? Eine solche personalisierte Ernährung, die sich an den Erbanlagen orientiert, wird schon eine ganze Weile erforscht. Das Gebiet, das diese Wechselwirkung beleuchtet, heißt Nutrigenetik oder Nutrigenomik.

An hinlänglich bekannten Ernährungs-Empfehlungen mangelt es uns nicht: Wenig gesättigte Fette, viel frisches Gemüse, wenig oder besser gar kein Zucker bei regelmäßiger Bewegung lautet das Credo. Und trotzdem ist es – unabhängig vom Alter – von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich, wie wir Kohlenhydrate, Fette oder Proteine verwerten. Der eine verträgt große Mengen Fleisch tadellos, der andere bekommt schon beim Gedanken an Fleischberge Magenkrämpfe. Mancher genießt Koffein zu jeder Tages- und Nachtzeit, andere fürchten bei einer Tasse Kaffee nach 14 Uhr um ihren Schlaf. Liegt es da nicht nahe, auf individuelle Ernährungsempfehlungen auf Grundlage der Erbanlagen zurückzugreifen?

Nutzen von frei verkäuflichen Nutrigenetik Tests nicht wissenschaftlich belegt

Ob es in diesem Zusammenhang allerdings sehr nützlich ist, auf frei verkäufliche Gentests zurückzugreifen, ist mehr als fraglich. Zumindest ist ihr Nutzen bisher nicht wissenschaftlich ausreichend belegt. So vielversprechend die bisherigen Erkenntnisse auch sein mögen: Die Nutrigenetik steht erst am Anfang. Der Zusammenhang zwischen Erbgut und Ernährung ist sehr komplex.

Klar ist, dass 99,7 Prozent der Gene bei allen Menschen gleich sind. Nur der sehr kleine verbleibende Teil des menschlichen Genoms, diese 0,3 Prozent, unterscheidet sich. Aber dieser kleine Rest bietet noch Unmengen an Varianten. Er entscheidet etwa, welche Augen- und Haarfarbe wir haben. Aber eben auch, wie jeder von uns Nährstoffe aufnimmt und verwertet.

Zwar haben Forscher auf dem Gebiet, die sogenannten Nutrigenetiker, schon viel über den Einfluss bestimmter Gene auf die Nahrungsverwertung herausgefunden. Etwa in welcher Weise die Gene bestimmen, wie der Körper auf Salz, Fett oder Koffein reagiert. Aber jedes Gericht, das wir verzehren, besteht aus vielen verschiedenen Zutaten. Und sie alle enthalten viele Substanzen, die in der einen oder anderen Weise auf den Körper wirken.

Darüber hinaus: Auch das Zusammenspiel der Gene ist sehr kompliziert und bislang erst zum Teil verstanden. So sind bislang mehr als 95 Mutationen gefunden, die zu Übergewicht beitragen. Doch Hunderte andere sind vermutlich noch gänzlich unbekannt. Und wenn ein Mangel an einer Stelle auftritt, ist damit nicht unbedingt gesagt, dass wir an anderer Stelle, etwa durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, gegensteuern können. Zu komplex sind die Zusammenhänge, zu vereinfacht der Ansatz, dem mit Tests beizukommen.

Angebot an Lifestyle-Tests

Angebote für Lifestyle-Gentest gibt es gleichwohl bereits jetzt zuhauf: Meist sind die handelsüblichen Nutrigenetik Tests zum Preis von 200 bis 500 Euro zu haben. Auf dem Markt gibt es mehrere Anbieter, die ihre sogenannten Lifestyle-Gentests über Fitnessstudios oder direkt über das Internet anbieten. Der Ablauf der Tests ist meist ähnlich: Eine Speichelprobe oder ein Abstrich der Wangenschleimhaut wird an ein Labor geschickt, das spezielle Gene des Probanden bestimmt. Mit dem Testergebnis wird der Kunde oft einem vermeintlichen Stoffwechseltyp zugeordnet und erhält Empfehlungen zu Kalorienmenge, Nährstoffverteilung und Lebensmittelauswahl sowie zur sportlichen Aktivität.

Die Käufer erhoffen sich zumeist, mithilfe der Test-Ergebnisse Anweisungen für ihre Ernährung zu bekommen. Meistens geht es darum, Gewicht zu verlieren. Doch auch wenn eine bestimmte Genvariation und ein Stoffwechselproblem gleichzeitig vorhanden sind, kann ein Ernährungstyp, der etwa Kohlenhydrate besonders gut verwerten kann, offenbar nicht abgeleitet werden. Soll heißen: Es gibt für Gen-Diäten derzeit keine wissenschaftliche Grundlage. Das heißt aber nicht, dass es diese in Zukunft nicht geben wird.

Erste Ergebnisse der Forschung

Forscher der TU München haben etwa das Erbgut mehrerer Probanden, die an dem europäischen Programm „Food4Me“ teilgenommen hatten, ausgewertet. Dabei standen mehrere bereits bekannte Genvarianten im Mittelpunkt der Betrachtung. Aus den Ergebnissen konnten individuelle Ernährungsempfehlungen ausgesprochen werden. Dabei wurde klar, dass es Menschen tatsächlich leichter fällt, ihre Essgewohnheiten umzustellen, wenn sie wissen, dass die Empfehlungen für sie ganz persönlich gelten. Unerheblich scheint es zu sein, ob die Ratschläge auf der Analyse der Gene oder aufgrund von Blutwerten oder der bisherigen Ernährungsgewohnheiten beruhen.

Bis weitere komplexe Zusammenhänge ausreichend beleuchtet sind, läuft es einstweilen jedoch noch darauf hinaus, dass wir uns an die hinlänglich bekannten Ernährungsempfehlungen halten. Zumindest so lange, bis uns die Forschung eines Besseren belehrt. Das ist vielleicht etwas weniger trendy als dem zu folgen, was gesundheitsbewusste Menschen landauf, landab schon tun. Aber schaden kann es nicht, und es kostet gar nichts.