Sonnencreme ist im Sommer gar nicht mehr wegzudenken − schon Kinder lernen inzwischen von klein auf, sich durch das Eincremen vor der Strahlung zu schützen. Umso rätselhafter erscheinen die Ergebnisse einer aktuellen kanadischen Studie[1], die zeigen, dass Menschen, die sich besonders gut vor Sonnenstrahlung schützen wollen und mehr Sonnencreme verwenden, ein höheres Hautkrebsrisiko aufweisen. Was es damit auf sich hat, erklärt Dr. med. Frederique Heim, Ärztin und zuständig für dermatologische Testungen bei Rosel Heim nature + science:

„Viele Menschen denken irrtümlicherweise, dass Sonnencreme vor Hautkrebs schützt. Damit sitzen sie jedoch einem jahrzehntealten Irrtum auf: In den 50ern entdeckten Wissenschaftler, dass Menschen, die häufiger Sonnenbrand hatten, auch öfter Hautkrebs bekamen, und nahmen einen kausalen Zusammenhang an. Sonnenbrand galt es also unbedingt zu vermeiden − eine Denkweise, die bis heute in vielen Köpfen fest verankert ist. Deshalb entstanden Sonnencremes, deren einziger Zweck es ist, die Rötung der Haut zu verhindern. Inzwischen wissen wir allerdings, dass der Sonnenbrand ein Warnzeichen bei zu viel Strahlung ist und nicht der alleinige Auslöser von Hautkrebs. Wie genau Hautkrebs entsteht, ist zwar immer noch nicht vollkommen geklärt, Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass Sonnenstrahlen das Erbgut der Zellen nachhaltig schädigen. Lediglich ein bestimmtes Spektrum der Sonne wie UVA- und UVB-Strahlen durch Cremes herauszufiltern, trägt wenig zur Hautkrebsprophylaxe bei.

Wer durch die Nutzung von Sonnencreme die Entstehung von Sonnenbrand verzögert, wiegt sich häufig in trügerischer Sicherheit. Dadurch hält er sich jedoch viel länger in der Sonne auf, als er sollte. Denn jeder Mensch besitzt je nach Hauttyp eine individuelle Toleranzschwelle für die Sonnenstrahlung – Gefahr droht immer, wenn diese Schwelle überschritten wird. Durch die trügerische Sicherheit lassen sich auch die Ergebnisse der kanadischen Studie erklären, dass mit steigendem Verbrauch von Sonnencreme das Hautkrebsrisiko wächst. Im Glauben an einen vollständigen Lichtschutz setzen sich viele Menschen zu lange der Sonne aus, was insbesondere in Breitengraden mit senkrechter Sonneneinstrahlung in Äquatornähe gefährlicher ist. Den besten Schutz vor Hautkrebs bilden stattdessen langärmlige Kleidung, Sonnenhüte und der Aufenthalt im Schatten, denn sie schirmen die Haut zuverlässiger vor Strahlung ab, als es Sonnencremes je könnten. Cremes sollten deshalb immer nur als ergänzende Schutzmaßnahme verwendet werden und niemals als einzige.“

 

 

1 Alli, S.; LeBeau, J.; Hasbani, A.; Lagacé, F.; Litvinov, I.V.; Peláez, S. Understanding the Perceived Relationship between Sun Exposure and Melanoma in Atlantic Canada: A Consensual Qualitative Study Highlighting a “Sunscreen Paradox”. Cancers 2023, 15, 4726. https://doi.org/10.3390/cancers15194726